Leistungsprämien als Motivationsanreiz im öffentlichen Dienst

Verwaltungsrundschau Februar 1996, Heft 2

I. Ausgangspunkt: Die Reformvorstellungen der Bundesregierung

Ziel dieser Abhandlung ist es zu untersuchen, inwieweit die Gewährung von Leistungsprämien die Motivation einer Belegschaft steigern kann. Den Hintergrund bildet das im „Perspektivbericht" der Bundesregierung im Dezember 1993 vorgestellte Ansinnen, Leistungszulagen als Motivationsanreize für Beamte und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einzuführen. In den im April 1995 vom Bundesinnenminister vorgestellten „Eckpunkten zur Reform des öffentlichen Dienstrechts" wird der Gedanke der Leistungszulagen und -prämien weiter konkretisiert. Besondere Beachtung verdienen die bereits vorliegenden Erfahrungen mit der Postleistungszulagenverordnung, auf die ausführlich im Anhang des Perspektivberichtes verwiesen wird. Diese Postleistungs-zulagenverordnung trat 1989 in Kraft. In einer wissenschaftlichen Studie, die unter anderem die Befragung von 3146 Mitarbeiter der damaligen Deutschen Bundespost (DBP) umfaßte, überprüfte Prof. Dr. Ackermann die Erfahrungen mit den Leistungszulagen im Auftrag des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation. Die Studie wurde 1993 vorgelegt [1].

Die im Perspektivbericht gemachten Anhaltspunkte decken sich im wesentlichen mit der Postleistungszulagenverordnung:

Die Unterschiede, die zwischen dem öffentlichen Dienst und tariflich gebundenen Unternehmen in bezug auf eine leistungsgerechte Bezahlung bestehen, werden vielerorts überschätzt. Auch in der freien Wirtschaft ist es zur Zeit ein zentrales personalwirtschaftliches Thema, wie Zulagen stärker als Leistungsanreize eingesetzt werden können [2].

II. Die Bedürfnisse des arbeitenden Menschen

Die menschlichen Bedürfnisse sind vielfältig. Die motivations- und arbeitspsychologische Forschung beschäftigt sich insbesondere mit folgenden Bedürfnissen [3]
Die Bedürfnisse der Menschen sind aufgrund individueller Lern- und Sozialisationsprozesse unterschiedlich ausgeprägt. Auch die Annahme einer, wenn auch individuellen und sozial geprägten, hierarchischen Ordnung der Bedürfnisse, wie sie Maslow [7] entwickelt hat, erscheint plausibel.

III. Thesen zur motivationalen Wirkung von Leistungsprämien

1. Die Vielseitigkeit des Geldes

These 1: Geld ist ein besonderer Motivationsanreiz, weil es die Befriedigung unterschiedlicher Bedürfnisse ermöglicht.

 

Monetäre Leistungsanreize knüpfen an ein breites Bedürfnisspektrum an. Die Person kann durch Geld beispielsweise seine physiologischen Grundbedürfnisse, wie z. B. das nach Nahrung, auf ein neues qualitatives Niveau heben. Sie kann es zur Befriedigung ihres Sicherheitsbedürfnisses verwenden; sie kann es in Statussymbole investieren und so zusätzliche Anerkennung anstreben. Geld erweitert den Handlungsspielraum des Einzelnen in seinem privaten Bereich und ermöglicht so die Befriedigung seines Kontrollstrebens. Bei der Frage, aus welchem Bedürfnis sich der Anreiz von Leistungsprämien speist, wird von den Mitarbeitern der DBP mehrheitlich das Anerkennungsbedürfnis betont; hinter der hohen persönlichen Bedeutung des Argumentes „Ausgleich für Arbeitsleistung" kann zudem das Streben nach dem Abbau zuvor bestehender Dissonanzen vermutet werden.

 

Was bedeutet die Leistungszulage für Sie?
Antworten
Anerkennung für Sonderleistungen
44%
Einkommensverbesserung
15%
Ausgleich für das, was einem zusteht
9%
Ausgleich für Arbeitsbelastung
29%
Keine Angabe
3%

Tab. 1: Individuelle Bedeutung der Leistungszulage (aus: Ackermann 1993,
S. 17)

 

2. Zur Bedeutung von extrinsischen und intrinsischen Anreizen

These 2: Die aktuelle Diskussion um Leistungsprämien kann zu einer verengten Sichtweise von Motivation beitragen; vieles deutet darauf hin, daß vor allem im Bereich der intrinsischen Arbeitsmotivation effektive Anreize im öffentlichen Dienst brachliegen.

 

Die Unterscheidung zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation ist in der Motivationsforschung weit verbreitet, wenn auch die Abgrenzung beider Begriffe nicht immer einheitlich ist [8]. Eine intrinsische Motivation liegt dann vor,

Von extrinsischer Motivation kann demgegenüber gesprochen werden, wenn äußere Anreize, die nicht in einem direkten sachlichen Zusammenhang mit der Leistung stehen (wie z. B. Geldprämien), oder wenn äußere Zwänge Beweggründe für das Handeln sind. Auch wenn Geldleistungen dem Menschen die Befriedigung unterschiedlicher Bedürfnisse erlauben, so gibt es viele Formen intrinsischer Anreize, die für den einzelnen zumindest genauso bedeutsam, wenn nicht bedeutsamer sind. In der DBP-Studie sollten die Befragten angeben, weiches Gewicht bestimmte Anreize für sie persönlich haben, und wie stark diese Anreize im Arbeitsalltag bereits zum Tragen kommen. Wenn auch Anreize wie „Beförderung nach Leistung" sowohl extrinsische als auch intrinsische Momente in sich tragen, so sind viele der hier besonders bedeutsam eingeschätzten Anreize eher den intrinsischen Bedürfnissen zuzurechnen.

Dieser Anreiz ist

mir persönlich wichtig

 

 

Anreiz

Dieser Anreiz ist bei der DBP

ausgeprägt

Dieser Anreiz ist bei der DBP

weniger ausgeprägt

Dieser Anreiz ist bei der DBP nicht vorhanden

92%

Selbständiges

Arbeiten

37%

38%

26%

89%

Beförderung nach Leistung

7%

17%

75%

85%

Interessante

Aufgabe

27%

48%

25%

81%

Verantwortung

 

34%

46%

20%

82%

Beförderungs-möglichkeiten

11%

34%

54%

77%

Kontakte zu

anderen

65%

28%

7%

68%

Selbstver-wirklichung

8%

24%

68%

 

Tab. 2: Die persönliche Dedeutsamkeit und die eingeschätzte reale Ausprägung von motivationalen Anreizen; (gekürzt aus: Ackermann,
1993, S. 48)

 

Klotz/Mauch kommen in einer Befragung zur Motivationslage öffentlicher Bediensteter in Baden-Württemberg zu ähnlichen Ergebnissen. Die Mitarbeiter sollten angeben, wie wichtig ihnen bestimmte Merkmale ihrer Tätigkeit sind. Ihnen war dabei „eine sinnvolle, interessante, abwechslungsreiche, die Fähigkeiten und Kenntnisse fordernde, verantwortliche, Ideen und Initiativen ermöglichende, Spaß machende, Erfolgserlebnisse vermittelnde und selbständige Tätigkeit besonders wichtig . ... Typische extrinsische Bedürfnisse, wie eine leistungsgerechte Bezahlung und der berufliche Aufstieg, finden sich dagegen im Mittelfeld wieder" [10]. Das Ausweichen auf monetäre Anreize ist möglicherweise darin begründet, daß andere Anreizformen wie z. B. höhere Selbständigkeit oder interessante Aufgaben schwieriger behördlich umzusetzen sind. Sie erfordern insbesondere Veränderungen traditioneller Organisationsstrukturen von Institutionen sowie langfristig angelegte Qualifizierungsprozesse.

3. Die Schmälerung der intrinsischen Motivation durch extrinsische Anreize

These 3: Extrinsische Anreize können unter bestimmten Umständen zu einer Verringerung einer vorhandenen intrinsischen Arbeitsmotivation beitragen.

Interessant ist die Frage, in welchem Zusammenhang intrinsische und extrinsische Anreize stehen. In der ersten Einchätzung wird man von einer Addition der Anreize ausgehen. Diese Denkweise zeigt sich beispielsweise, wenn gut dotierte Fußballer, die in der Mehrzahl sicherlich auch Spaß am Fußballspielen an sich haben, in entscheidenden Spielen durch zusätzliche Leistungspräien zu noch größeren Anstrengungen motiviert werden sollen. Daß zusätzliche extrinsische Anreize nicht immer zu einer erhöhten Motivation führen, verdeutlicht Sprenger an einer kleine Geschichte.

„Ein alter Mann wurde täglich von den Nachbarskindern gehänselt. Eines Tages griff er zu einer List. Er bot den Kindern eine Mark an, wenn sie am nächsten Tag wiederkämen und ihre Beschimpfungen wiederholten. Die Kinder kamen, ärgerten ihn und holten sich dafür eine Mark ab. Und wieder versprach der alte Mann: „Wenn ihr morgen wiederkommt, dann gebe ich euch 50 Pfennig." Und wieder kamen die Kinder und beschimpften ihn gegen Bezahlung. Als der alte Mann sie aufforderte, ihn auch am nächsten Tag, diesmal allerdings gegen 20 Pfennig zu ärgern, empörten sich die Kinder: Für so wenig Geld wollten sie ihn nicht beschimpfen. Von da an hatte der alte Mann seine Ruhe" [11].

Auch in sozialpsychologischen Experimenten wurde nachgewiesen, daß extrinsische Anreize nicht immer zu einer Erhöhung der Motivation beitragen. In Anlehnung an ähnliche Untersuchungen führten 2 Studenten der FH Bund ein Experiment durch. Die in einer halben Stunde zu bearbeitenden Testaufgaben waren dabei so gestellt, daß die Arbeitsleistung vorrangig von der Motivation, weniger von der individuellen Leistungsfähigkeit abhing.

 

Die Gruppen wurden unterschiedlich instruiert:

  1. Gruppe: Den Teilnehmern wurde nur der vermeintliche Sinn des Experimentes für eine Diplomarbeit erläutert. Es sollte ein Leistungsmaßstab für ein psychologisches Testverfahren erstellt werden.

  2. Gruppe: Den Teilnehmern wurden zusätzlich jeweils 5 DM als Belohnung für ihre Bemühung mit dem Fragebogen vorab ausbezahlt.

  3. Gruppe: Nur dem besten Teilnehmer dieser Gruppe wurden zusätzlich 10 DM als Leistungsprämie in Aussicht gestellt.

Die Teilnehmer der 2. Gruppe arbeiteten am längsten und erbrachten die größte Leistung. Die Motivation nahm zum Ende des Experimentes sogar eher zu. Die Teilnehmer der 3. Gruppe, der Leistungsprämiengruppe, zeigten insgesamt eine deutlich geringeres Engagement und erbrachten eine geringere Leistung. Viele brachen vorher ab. Die Motivation bei den einzelnen Aufgaben sank im Laufe des Testes. Die Gruppe 1, die keinerlei Belohnung erhielt, zeigte sich im Durchschnitt geringfügig motivierter als die Gruppe 3, jedoch weniger motiviert als die Gruppe 2.

In der Gruppe mit der Leistungsprämie variierte die Motivation zwischen den Teilnehmern auffallend stark, ein Hinweis, daß Leistungsprämien - in Abhängigkeit von der persönlichen Erfolgserwartung - nicht alle Personen in gleichem Maße ansprechen. Die Auslobung der Leistungsprämie in der Gruppe 3 hatte insgesamt betrachtet keine motivationssteigernde, sondern eher eine motivationssenkende Wirkung.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung stehen im Einklang mit den Ergebnissen ähnlicher sozialwissenschaflicher Untersuchungen. So wurden in einem anderen Experiment Kinder dazu angeregt, Bilder zu malen. Gruppenmitglieder der einen Gruppe erhielten anschließend. attraktive Preise, die anderen malten ohne Aussicht auf Belohnung. Nach zwei Wochen stellten die Forscher fest, daß Kinder, die Belohnungen erwartet und erhalten hatten, sehr viel weniger von sich aus mit den angebotenen Malutensilien spielten als nicht belohnte Kinder [12].

These  4: Leistunsprämien sind besonders dann nur gering motivierend und gar riskant, wenn bereits eine hohe intrinsische Motivation für die Tätigkeit vorliegt. Sie können so interpretiert werden, daß das Erbringen besonderer Leistungen aus sich heraus als wenig attraktiv gilt; zudem können sie die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Aufgabe und den hierbei erlebten intrinsischen Anreizen ablenken.

Wie erklärt man sich, daß zusätzliche externe Anreize die Freude an der Tätigkeit an sich schmälern können? Kuhl [13] stellt diesbezüglich zwei Erklärungen vor: Gemäß der Attributionstheorie schreibt der Mensch seinem Verhalten - ähnlich einem „naiven" Wissenschaftler - stets Ursachen zu. Er fragt sich dabei, ob sein Verhalten eher von außen oder eher von innen verursacht ist. Unsere Motivation hängt aus attributionstheoretischer Sicht nicht nur von der erwarteten Belohnung ab, sondern vielmehr von der symbolischen Interpretation, die wir dieser Belohnung beilegen [14]. Zusätzliche extrinsische Anreize können demnach bei einer bereits intrinsisch ansprechenden Tätigkeit zu kognitiven Dissonanzen führen. Das kognitive Gleichgewicht kann beispielsweise durch folgenden inneren Gedankengang wiederhergestellt werden: „Wenn ich für eine Leistung besonders belohnt werde, muß ich eigentlich daraus schließen, daß man sie ohne eine besondere Belohnung nicht freiwillig macht. Es kann sich demnach nur um eine wenig attraktive Tätigkeit handeln." Durch die Abwertung der eigenen intrinsischen Motivation wird das kognitive Gleichgewicht wiederhergestellt, so die dissonanztheoretische Erklärung. Wenn dann die extrinsischen Anreize zu der vorrangigen Quelle der Motivation werden, ist es besonders problematisch, wenn diese Anreize - z. B. aufgrund der engen zeitlichen Befristung der Prämien - ausbleiben. Dieses macht sich auch der alte Mann in der obigen Geschichte zunutze.

Der Mensch vermag seine Konzentration aufgrund der „Enge des Bewußtseins" - so die aufmerksamkeitspsychologische Erklärung - zu einem bestimmten Zeitpunkt nur einer Sache zuzuwenden. Ist für die Ausübung einer Tätigkeit eine Gratifikation zu erwarten und drängt sich diese zu sehr in das Zentrum der Aufmerksamkeit, so schlägt der intrinsische in einen extrinsischen Motivationszustand um. Die aus der Tätigkeit herrührenden Anreizmomente können nicht mehr mit ungeteilter Aufmerksamkeit erlebt werden, weil ein Teil der Aufmerksamkeit weg von der eigentlichen Tätigkeit, hin zu der erwarteten Belohnung gelenkt wird. So läßt es sich erklären, daß die Aussicht auf Leistungsprämien zuweilen die Köpfe oder Füße lähmt.

4. Leistungsprämien bei wenig attraktiven Tätigkeiten

Bis dahin standen die Auswirkungen der Leistungsprämien auf eine vorhandene intrinsische Leistungsmotivation im Vordergrund. Es macht einen Unterschied aus, ob ich Personen für wenig attraktive oder für bereits in sich attraktive Tätigkeiten belohne. „Je mehr in einem konkreten Fall die möglichen Anreizmomente, die aus der Tätigkeit selbst herrühren, überwiegen, desto riskanter ist es, zusätzliche Anreize anzubieten" so summiert Kuhl [15] die Ergebnisse motivationspsychologischer Experimente. Bei wenig attraktiven Tätigkeiten könne die Ablenkung der Aufmerksamkeit von der Tätigkeit hin auf die Belohnung sogar von unangenehmen Aspekten der Tätigkeit ablenken und dadurch einen motivationssteigemden Effekt haben.

 

Auch Ackermann unterscheidet in seiner DBP-Studie zwischen

In der Befragung ergibt sich, daß 68 % der Mitarbeiter in Arbeitsleid-Situationen nach Erhalt einer Zulage höher motiviert waren, wohingegen es bei den Personen mit Arbeitsfreude nur 55 % waren. Andererseits: Wem Arbeit keine Freude macht, schränkt eher sein Arbeitsengagement ein, wenn erwartete Leistungszulagen ausbleiben [17]. Auch diese Befragungsergebnisse deuten darauf hin, daß Personen ohne Arbeitsfreude sensibler mit ihrer Motivation auf erhaltene Leistungsprämien, aber auch auf nicht erhaltene Leistungsprämien reagieren.

5. Leistungsprämien und soziales Klima

These 5: Die Befriedigung der sozialen Bedürfnisse ist ein maßgeblicher Faktor für die Arbeitszufriedenheit und die Motivation des einzelnen. Individuelle Leistungsprämien können das soziale Klima und damit die Arbeitsmotivation beeinträchtigen.

Für die Bedeutung, die dem sozialen Klima als Leistungsanreiz zugemessen wird, spricht

Die Frage, wie sich Leistungsprämien auf die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz auswirken ist gemäß den vorliegenden Befragungsergebnissen der DBP-Studie eindeutig zu beantworten: 70 % der Befragten geben an, daß sich die Einführung der Leistungszulagen negativ auf die Kollegialität und das Betriebsklima ausgewirkt haben; 48 % der Befragten sehen negative Auswirkungen auf das Konkurrenzverhalten. Die Beziehungen zu dem Vorgesetzten haben sich durch diese Prämien demgegenüber eher verbessert [21]. Individuelle Leistungszulagen widersprechen der vorherrschenden Tendenz zur Einführung gruppenbezogener Organisationsformen. Nimmt man den „Teamgedanken" ernst, müßten auch ganze Arbeits- oder Projektgruppen für ihre besondere Leistung prämiert werden. Immerhin 41 % der DBP-Befragten befürworten eine Zulage für besondere Arbeitsleistungen von Gruppen [22].

6. Leistungsprämien und das kognitive Gleichgewicht

These 6: Leistungsprämien können innere Dissonanzen ausräumen. Dieses muß nicht immer motivationssteigernd sein.

Der Mensch hat gemäß der Theorie der kognitiven Dissonanz das Bedürfnis, innere Widersprüche aufzulösen. Möglichkeiten, innere Dissonanzen aufzulösen, können in einer Verhaltensänderung oder auch in einer Einstellungsänderung liegen. Innere Widersprüche erleidet der engagierte Mitarbeiter, der die gleiche Bezahlung wie der gering motivierte Mitarbeiter erhält. Der Engagierte wird durch die Leistungszulage und die damit verringerten Dissonanzen weniger Anlaß haben, seine positive Arbeitshaltung zu ändern. Von inneren Widersprüchen kann aber auch derjenige betroffen sein, der trotz geringer Leistungsbereitschaft das gleiche Geld wie der moti­vierte Kollege erhält. Auch dieser Mitarbeiter hat durch die Leistungsprämie wenig Anlaß, seine Arbeitshaltung zu ändern. Durch eine neue Ursachenzuschreibung vermag er seine Kognitionen in einen neuen Gleichklang zu bringen („Der fleißige Kollege strengt sich wegen der Leistungsprämie so an, ich strebe diese ja gar nicht an"). Wenn ein Mitarbeiter die Übernahme einer Sonderaufgabe mit den Worten ablehnt „Gehen Sie damit lieber zu meinem Kollegen, der hat doch eine Prämie bekommen, dann soll er auch gefälligst etwas mehr als wir machen", so deutet dieses auf derartige kognitive Umdeutungsprozesse hin.

7. Leistungsprämie und persönliche Erfolgserwartungen

These 7: Leistungsprämien erzeugen bei den Empfängern eine Bestärkung des gezeigten Leistungsverhaltens; andererseits können sie bei den Nicht-Begünstigten Enttäuschungen auslösen. Ob Leistungsprämien die Motivation in einer Belegschaft insgesamt anheben, wird davon abhängen, ob es gelingt, die aus den Enttäuschungen resultierenden Motivationsminderungen einzugrenzen. Hierzu ist es erforderlich, daß die Vergabekriterien transparent und von hoher Akzeptanz sind sowie sich möglichst auf meßbare qualitative und quantitative Indikatoren stützen.

Ein einfaches motivationspsychologisches Modell besagt, daß der Mensch dann zu einer Leistung motiviert ist,

Leistungsprämien motivieren demnach nicht alle Personen in gleicher Weise. Dieses liegt nicht nur an der individuellen Ausprägung einzelner Bedürfnisse. Wesentlich sind zudem die persönlichen Erwartungen und Erfahrungen, daß sich bei besonderen Bemühungen der Erfolg, d. h. hier die Leistungsprämie, auch einstellen wird.

Eine zentrale Frage ist, wie Personen auf den Erhalt, aber auch auf den Nicht-Erhalt der Leistungsprämien reagieren. Die Zahlen hier sind - bezüglich des motivationssteigernden Anspruches von Leistungszulagen - eher ernüchternd. Bei der DBP-Befragung gaben ca. 25 % der Befragten an, daß sie eine Leistungsprämie in den vergangenen Jahren bereits erhalten hatten. Diese waren überwiegend gewillt, ihre positive Leistungsbereitschaft beizubehalten (62 %) oder gar zu steigern (36 %). Auf Personen, die nicht bei der Leistungszulage berücksichtigt wurden, wirkte sich die Leistungsprämie eher demotivierend aus. Knapp ein Viertel dieses Personenkreises wollte den Leistungseinsatz eher zurücknehmen. Besonders diejenigen Nicht-Empfänger, die persönlich fest mit einer Leistungszulage gerechnet hatten, beabsichtigten, ihr Engagement zurückzunehmen. Insgesamt wollten als Reaktion auf die Leistungsprämien 15 % aller Befragten ihre Anstrengungsbereitschaft erhöhen, aber 18 % ihr Engagement einschränken [24]. Leistungsprämien stellen für einzelne Kollegen Leistungsanreize dar; ihre Einführung muß aber demnach nicht bedeuten, daß die Motivation innerhalb einer.Belegschaft insgesamt gesteigert wird.

Wenn Leistungsprämien nach Kriterien vergeben werden, die für den einzelnen nicht nachvollziehbar oder beeinflußbar sind, also z. B. nach dem Zufallsprinzip, dem Gießkannenprinzip („jeder kommt mal dran") oder dem Dienstalter, so kann hiervon kein motivierender Einfluß ausgehen. Sollen die Leistungsprämien ihren motivierenden Einfluß entfalten, so sind Leistungskriterien zu entwickeln,

In vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes existieren quantitative Leistungsindikatoren, wobei diese i. d. R. weniger zur individuellen Leistungsbeurteilung, sondern mehr als ein Instrument der Personalbedarfs-berechnung genutzt werden (Beispiel: Schülerzahl pro Klasse, Gespräche pro Berater, Fälle pro Sachbearbeiter). Erst in den Kinderschuhen steckt in vielen Bereichen die Entwicklung qualitativer Leistungsindikatoren. Daher kann es nicht überraschen, wenn Verwaltungen sich mitunter bei der Vergabe der Leistungsprämien auf quantitative Indikatoren beschränken, so z. B. wenn eine Stadtverwaltung denjenigen „Politessen" eine Prämie verspricht, die im Jahr geringe Fehlzeiten aufweisen, oder denjenigen Sachbearbeitern, die die Arbeit eines Kollegen über einen bestimmten Zeitraum miterledigen.

Auch die Bundesregierung sieht in ihrem Perspektivbericht das Hauptproblem bezüglich der Leistungszulagen in der Feststellung der besonderen Leistung. Konkrete Angaben, nach welchen Kriterien die Leistungsprämien und -zulagen an „herausragende Mitarbeiter" vergeben werden sollen, werden auch in den „Eckpunkten zur Reform des öffentlichen Dienstrechts" nicht gemacht. Wenn die Einführung von Leistungsprämien dazu führt, daß die Qualität der Arbeit und die Möglichkeit ihrer Erfassung stärker in den öffentlichen Einrichtungen diskutiert wird, so kann hieraus bereits ein Beitrag zur Leistungssteigerung von Organisationen erwachsen [25]. Eine solche Diskussion könnte bei manchen Beschäftigten Ängste bezüglich einer verstärkten Fremdkontrolle ihrer Leistung auslösen. Andererseits legen Studien zur Erforschung des Leistungsmotivs sowie der Arbeitszufriedenheit [26] den Schluß nahe, daß der Mensch ein natürliches Bedürfnis besitzt, Rückmeldungen über die Qualität der eigenen Leistung zu erhalten. Vielleicht liegt hier eine Erklärung für ein Befragungsergebnis der DBP-Studie, welches bei aller hier herausgearbeiteten Skepsis bezüglich der motivationssteigernden Wirkung von Prämien überrascht: 63% der Befragten geben an, daß der "Spaß an der Arbeit" durch die Einführung der Leistungszulagen gesteigert worden ist.

IV. Resümee

Die wissenschaftliche Begleitstudie bei der Deutschen Bundespost kommt - so auch im Perspektivbericht zitiert - zu dem Ergebnis, daß die Gewährung von Leistungszulagen „grundsätzlich geeignet ist, zur besseren Erreichung der unternehmerischen Ziele der DBP beizutragen". Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, daß das Wort grundsätzlich hier in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden darf. Ob die Prämien einen Anreizcharakter für höhere Leistungen darstellen oder ob die hier herausgearbeiteten Risiken überwiegen, wird insbesondere von der Art und Weise abhängen, wie die Leistungsprämien eingeführt werden und hier insbesondere von der Transparenz und der Akzeptanz - der Vergabekriterien. Unter der betriebswirtschaftlichen Perspektive wird man sich zudem fragen müssen, ob der Mehraufwand für die Leistungsprämien durch ein erhöhtes Arbeitsengagement der Mitarbeiter aufgefangen wird. Als Mehraufwand wird nicht nur das Entgelt für die Leistungsprämie zu verbuchen sein. Leistungsprämien machen es erforderlich, daß Vorgesetzte vermehrt Leistungsbeurteilungen erstellen. Die Durchsetzung einheitlicher Vergabekriterien verlangt zudem einen kostenintensiven Fortbildungsbedarf sowie zeitintensive Abstimmungsprozesse innerhalb einer Behörde.

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[1] Ackermann, K.-F: Leistungszulagen bei der Deutschen Bundespost, Abschlußbericht. Studie im Auftrag des Bundesministers für Post und Telekommunikation. Februar 1993.

[2] Vgl. z. B. das Schwerpunktthema der Zeitschrift PERSONALWIRTSCHAFT 9/1994.             

[3]  Hierzu ausführlicher: Dulisch, F.: Lernen als Form menschlichen Handelns. z. Aufl. 1994, S. 78-99.            

[4] Eine Übersicht zu den empirischen Forschungsergebnissen bezüglich der leistungsmotivierenden Funktion von Partizipation am Arbeitsplatz liefert: Nerdinger, F. W.: Motivation und Handeln in Organisationen. 1995, S. 68-72.  

[5] Festinger, L.: Theorie der kognitiven Dissonanz. 1978.

[6] Zusammenfassend:Nerdinger, F. W., aa0., 1995, S. 158 ff.            

[7] Vgl. Maslow, A. L.: Motivation und Persönlichkeit. 1991.             

[8] Vgl. hierzu z. B. Heckhausen, H.: Motivation und Handeln. 1980, S. 607 ff.        

[9] Die moderne Psychologie spricht hier in Bezugnahme auf Csikszentmihalyi von dem „Flow-Erlebnis".

[10] Klotz, E. und Mauch, S.: Personalmanagment in Baden-Württemberg, Teil 2, in: Verwaltung, Organisation, Personal (VOP), 1994, S. 336-346.

[11] Sprenger, R. K.: Mythos Motivation, 1992, S. 67.          

[12] Vgl. Kuhl, J.: Die Bedeutung materieller Leistungsanreize für die Arbeitsmotivation, in: Arbeitsmotivation und Führung, hrsg. von der BertelsmannStiftung, 1988, S. 72 ff.

[13] Vgl. Kuhl, J., aa0., 1988, S. 76 ff.         

[14] Leistungsprämien für Beamte haben einen weiteren symbolischen Gehalt: Gemäß den hergebrachten Grundsätzen wird von dem Beamten die volle Hingabe zu dem Beruf gefordert. Wenn nun motivierte Beamte für ihre Leistungen besonders belohnt werden, so enttarnt sich diese Forderung an alle Beamten als eine Papierforderung

[15] Vgl. Kuhl, J., aa0., 1988, S. 76.           

[16] Vgl. Ackermann, K.-F., aa0., 1993, S. 49.          

[17] Vgl. Ackermann, K.-F, aa0., 1993, S. 50 f.          

[18] Vgl. Raffee, H./Fritz, lN.: Die Führungskonzeption erfogreicher und weniger erfolgreicher Industrieunternehmen im Vergleich, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaftslehre 61 (1991), S. 1211-1226.

[19] Vgl. z. B. Walter, H.: Mobbing: Kleinkrieg am Arbeitsplatz.1993, S.12 ff. 

[20] Vgl. z. B.: Arbeitsberichte 17 vom Ausschuß Betriebliche Personalpolitik der Deutschen Arbeitgeberverbände.           

[21] Vgl. Ackermann, K.-F. u. a., aa0., 1993, S. 55.     

[22] Vgl. Ackermann, K.-F. u. a., aa0., 1993, S. 66.     

[23] Vgl. hierzu z. B. Heckhausen, H./Rheinberg, F: Lemmotivation im Unterricht, erneut betrachtet. In: Unterrichtswissenschaft 1980, S. 7 ff.

[24] Vgl. Ackermann, K.-F., aa0., S. 37 und S. 45 und eigene Berechnungen.           

[25] Im Bereich der Hochschulen werden beispielsweise Preise für herausragende Lehrleistungen einzelner Dozenten gestiftet. Diese haben nicht nur die Funktion einer individuellen Anerkennung. Der Stifter will hierdurch auch erreichen, daß sich die Hochschulangehörigen regelmäßig mit dem Thema „Qualität der Lehre" und den Indikatoren ihrer Ermittlung beschäftigen.          

[26] Vgl. Nerdinger, F. W., aa0., 1995, S. 57.