Leistungsprämien als Motivationsanreiz im öffentlichen Dienst
I. Ausgangspunkt: Die Reformvorstellungen der Bundesregierung
Die im
Perspektivbericht gemachten Anhaltspunkte decken sich im wesentlichen mit
der Postleistungszulagenverordnung:
Die Leistungszulagen sollen zeitlich befristet sein. Im Perspektivbericht heißt es „Die wiederholte Zahlung sollte möglich sein .... Die Zahlungen dürfen sich nicht zu einem festen Bezahlungsbestandteil entwickeln". Diese enge Befristung ist ein wesentlicher Unterschied zu den bereits heute für bestimmte Tätigkeiten existierenden Zulagen. Bei der Post ist - mit engen Ausnahmen - eine Begrenzung der Prämien auf längstens drei Jahre vorgesehen.
Die
Leistungszulagen sind auf den einzelnen Mitarbeiter ausgerichtet;
eine Gruppenprämie ist nicht vorgesehen.
Die Zuerkennung richtet sich nach der erbrachten Leistung. Die Zahlung soll dann über den Zeitraum von 12 Monaten erfolgen. Das Entgelt wird bei der DBP rückwirkend als Jahresprämie ausbezahlt. In den Eckpunkten des BMI werden sowohl die Einführung von Leistungsprämien als eine rückwirkende Honorierung überdurchschnittlicher Leistungen als auch monatliche Leistungszulagen in Aussicht gestellt.
Als Bemessungsgrundlage
wird in den Eckpunkten eine Leistungsprämie bis zur Höhe des jeweiligen
Anfangsgrundgehaltes vorgeschlagen. Bei der
Post wird
eine Zulage bis zur Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem eigenen
Endgrundgehalt und dem Endgrundgehalt der zweithöheren Besoldungsgruppe
gewährt. Während bei der Post die Leistungsprämie für die Gehaltsstufe
A 11 beispielsweise zwischen 3 240 DM und 12 960 DM beträgt, sieht
das BMI in seinen Eckpunkten eine Prämie von bis zu 3 922 DM vor.
Bei der Zuerkennung der Leistungszulagen wird den Einschätzungen der Vorgesetzten eine besondere Verantwortung zuteil. Hierfür werden verkürzte Leistungsbewertungen vorgeschlagen bzw. bei der Post bereits eingesetzt. Der vorliegende Beurteilungsbogen des Postdienstes ähnelt den standardisierten Verfahren, wie sie bei Personalbeurteilungen Anwendung finden. Auf einer siebener Skala werden Merkmale wie Zuverlässigkeit, Zusammenarbeit, Arbeitstempo oder Kundenakzeptanz beurteilt.
II.
Die Bedürfnisse des arbeitenden Menschen
das
Streben nach Sicherheit, welches zum einen den Schutz des Lebensraumes
umfaßt, im übertragenen Sinne aber auch das Streben nach einer Absicherung
der materiellen und sozialen Lebensgrundlage,
das
Streben nach sozialen Kontakten und nach sozialer Integration,
das
Bedürfnis nach Anerkennung der eigenen Person und der eigenen Leistung,
das Wissensbedürfnis bzw. die Neugierde als das menschliche Streben, allem Neuartigen, Fremdartigen und Ungewohnten erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Hier kann ein Zusammenhang mit dem Aktivitätstrieb des Nervensystems gesehen werden; welches ständig beschäftigt sein will. Im Arbeitsalltag spiegelt sich dieses Bedürfnis auch in der inneren Ablehnung gegen ein Obermaß an Routine und fehlende Abwechslung wider. Der Erwachsene konzentriert seine Neugier stärker auf individuelle Interessensbereiche. Unter Interessen versteht man in der Motivationspsychologie die Vorlieben des Menschen für bestimmte Handlungen, Objekte und Erlebnisse. Besonders zu den Bereichen, die der einzelne für sich persönlich als bedeutsam oder in denen er sich häufig erfolgreich erlebt, bilden sich im Laufe der Zeit Interessensschwerpunkte heraus.
das Kontrollstreben in dem Sinne, daß es den Menschen befriedigt, wenn er seine Umwelt nach persönlichen Vorstellungen gestalten kann bzw. er das Gefühl hat, daß er seine Umwelt „im Griff hat. In Experimenten wurde beispielsweise festgestellt, daß Personen dann eine erhöhte Motivation und Leistung erbringen, wenn sie die Arbeitsaufgaben und - wege selbst bestimmen [4]. Neben dem Streben nach Anerkennung und monetären Anreizen liegt hier eine Motivationsquelle für das „Streben nach Aufstieg und Karriere"; Führungsfunktionen zeichnen sich i. d. R. durch einen größeren Kontrollbereich aus.
das
Leistungsbedürfnis, nach dem der Mensch persönliche Herausforderungen
sucht. Er hat das Bedürfnis, Aufgaben so schnell wie möglich, so gut
wie möglich bzw. so selbständig wie möglich zu lösen und sich dabei
mit einem persönlichen Anspruchsniveau auseinanderzusetzen. Bei dem
leistungsmotivierten Handeln stellt die persönliche Unsicherheit,
ob das gesetzte Ziel erreicht wird, und damit das Austesten der persönlichen
Leistungsgrenzen den zentralen Anreiz dar.
das
Bedürfnis nach Dissonanzvermeidung. Gemäß der empirisch recht fundierten
Dissonanztheorie Festingers [5]
versucht der Mensch, innerhalb seiner Kognitionen (Ansichten, Meinungen,
Wissenselemente) ein harmonisches Verhältnis aufzubauen. Beispiel:
Zwischen den Wissenselementen „Meine Arbeitsleistung liegt weit über
der meiner Kollegen" und „Ich erhalte das gleiche Geld wie mein
Kollege" besteht eine Dissonanz, da man gemäß dem gesunden Menschenverstand
aus der ersten Einschätzung folgern müßte „Ich erhalte mehr Geld als
mein Kollege". Der Mensch hat unterschiedliche Möglichkeiten,
diese Dissonanzen abzubauen. Er kann beispielsweise sein Verhalten
ändern, d. h. seine Arbeitsleistung an die seiner Kollegen angleichen;
er kann aber auch andere Kognitionen in der Umwelt suchen, die die
geringe Bezahlung relativieren (z. B. „andere sind genauso arbeitswillig
wie ich, verdienen aber nichts, weil sie arbeitslos sind" oder
„ich arbeite nicht wegen Geld, der Spaß an der Arbeit ist doch viel
wichtiger"). Die an dem inneren Gleichgewicht orientierten Motivationstheorien
haben besonders in der Arbeitspsychologie eine breite Beachtung und
Bestätigung gefunden [6].
III. Thesen
zur
motivationalen
Wirkung von
Leistungsprämien
1.
Die Vielseitigkeit des Geldes
These 1: Geld
ist ein besonderer Motivationsanreiz, weil es die Befriedigung unterschiedlicher
Bedürfnisse ermöglicht.
Monetäre
Leistungsanreize knüpfen an ein breites Bedürfnisspektrum an. Die Person
kann durch Geld beispielsweise seine physiologischen Grundbedürfnisse, wie
z. B. das nach Nahrung, auf ein neues qualitatives Niveau heben. Sie kann
es zur Befriedigung ihres Sicherheitsbedürfnisses verwenden; sie kann es
in Statussymbole investieren und so zusätzliche Anerkennung anstreben. Geld
erweitert den Handlungsspielraum des Einzelnen in seinem privaten Bereich
und ermöglicht so die Befriedigung seines Kontrollstrebens. Bei der Frage,
aus welchem Bedürfnis sich der Anreiz von Leistungsprämien speist, wird
von den Mitarbeitern der DBP mehrheitlich das Anerkennungsbedürfnis betont;
hinter der hohen persönlichen Bedeutung des Argumentes „Ausgleich für Arbeitsleistung"
kann zudem das Streben nach dem Abbau zuvor bestehender Dissonanzen vermutet
werden.
Was
bedeutet die Leistungszulage für Sie?
|
Antworten
|
Anerkennung
für Sonderleistungen
|
44%
|
Einkommensverbesserung
|
15%
|
Ausgleich
für das, was einem zusteht
|
9%
|
Ausgleich
für Arbeitsbelastung
|
29%
|
Keine
Angabe
|
3%
|
Tab.
1: Individuelle Bedeutung der Leistungszulage (aus: Ackermann 1993,
S. 17)
2.
Zur Bedeutung von extrinsischen und intrinsischen Anreizen
Die Unterscheidung
zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation ist in der Motivationsforschung
weit verbreitet, wenn auch die Abgrenzung beider Begriffe nicht immer einheitlich
ist [8].
Eine intrinsische Motivation liegt dann vor,
wenn
eine Leistung um der Sache willen erbracht wird,
wenn
die Sache bzw. Tätigkeit an sich als interessant empfunden wird,
wenn die Tätigkeit aus sich heraus fesselnd ist [9]
wenn das Streben nach Selbstbestätigung und persönlichen Erfolgerlebnissen zur Leistung motivieren
Von extrinsischer
Motivation kann demgegenüber gesprochen werden, wenn äußere Anreize, die
nicht in einem direkten sachlichen Zusammenhang mit der Leistung stehen
(wie z. B. Geldprämien), oder wenn äußere Zwänge Beweggründe für das Handeln
sind. Auch wenn Geldleistungen dem Menschen
die Befriedigung unterschiedlicher Bedürfnisse erlauben, so gibt es viele
Formen intrinsischer Anreize, die für den einzelnen zumindest genauso bedeutsam,
wenn nicht bedeutsamer sind. In der DBP-Studie sollten die Befragten angeben,
weiches Gewicht bestimmte Anreize für sie persönlich
haben, und wie stark diese Anreize im Arbeitsalltag bereits zum Tragen kommen.
Wenn auch Anreize wie „Beförderung nach Leistung" sowohl extrinsische
als auch intrinsische Momente in sich tragen, so sind viele der hier besonders
bedeutsam eingeschätzten Anreize eher den intrinsischen Bedürfnissen zuzurechnen.
Dieser
Anreiz ist mir
persönlich wichtig |
Anreiz |
Dieser
Anreiz ist bei der DBP ausgeprägt |
Dieser
Anreiz ist bei der DBP weniger
ausgeprägt |
Dieser
Anreiz ist bei der DBP nicht
vorhanden |
92% |
Selbständiges
Arbeiten |
37% |
38% |
26% |
89% |
Beförderung
nach Leistung |
7% |
17% |
75% |
85% |
Interessante
Aufgabe |
27% |
48% |
25% |
81% |
Verantwortung |
34% |
46% |
20% |
82% |
Beförderungs-möglichkeiten |
11% |
34% |
54% |
77% |
Kontakte
zu anderen |
65% |
28% |
7% |
68% |
Selbstver-wirklichung |
8% |
24% |
68% |
Tab.
2: Die persönliche Dedeutsamkeit und die eingeschätzte reale Ausprägung
von motivationalen Anreizen; (gekürzt aus: Ackermann,
1993, S. 48)
Klotz/Mauch
kommen in einer Befragung zur Motivationslage öffentlicher Bediensteter
in Baden-Württemberg zu ähnlichen Ergebnissen. Die Mitarbeiter sollten angeben,
wie wichtig ihnen bestimmte Merkmale ihrer Tätigkeit sind. Ihnen war dabei
„eine sinnvolle, interessante, abwechslungsreiche, die Fähigkeiten und Kenntnisse
fordernde, verantwortliche, Ideen und Initiativen ermöglichende, Spaß machende,
Erfolgserlebnisse vermittelnde und selbständige Tätigkeit besonders wichtig
. ... Typische extrinsische Bedürfnisse, wie eine leistungsgerechte Bezahlung
und der berufliche Aufstieg, finden sich dagegen im Mittelfeld wieder"
[10].
Das Ausweichen auf monetäre Anreize ist möglicherweise darin begründet,
daß andere Anreizformen wie z. B. höhere Selbständigkeit oder interessante
Aufgaben schwieriger behördlich umzusetzen sind. Sie erfordern insbesondere
Veränderungen traditioneller Organisationsstrukturen von Institutionen sowie
langfristig angelegte Qualifizierungsprozesse.
3.
Die Schmälerung der intrinsischen Motivation durch extrinsische Anreize
„Ein alter Mann wurde täglich von den Nachbarskindern gehänselt. Eines Tages griff er zu einer List. Er bot den Kindern eine Mark an, wenn sie am nächsten Tag wiederkämen und ihre Beschimpfungen wiederholten. Die Kinder kamen, ärgerten ihn und holten sich dafür eine Mark ab. Und wieder versprach der alte Mann: „Wenn ihr morgen wiederkommt, dann gebe ich euch 50 Pfennig." Und wieder kamen die Kinder und beschimpften ihn gegen Bezahlung. Als der alte Mann sie aufforderte, ihn auch am nächsten Tag, diesmal allerdings gegen 20 Pfennig zu ärgern, empörten sich die Kinder: Für so wenig Geld wollten sie ihn nicht beschimpfen. Von da an hatte der alte Mann seine Ruhe" [11].
Die Gruppen
wurden unterschiedlich instruiert:
Gruppe:
Den Teilnehmern wurde nur der vermeintliche Sinn des Experimentes für
eine Diplomarbeit erläutert. Es sollte ein Leistungsmaßstab für ein
psychologisches Testverfahren erstellt werden.
Gruppe: Den Teilnehmern wurden zusätzlich jeweils 5 DM als Belohnung für ihre Bemühung mit dem Fragebogen
vorab ausbezahlt.
Gruppe:
Nur dem besten Teilnehmer dieser Gruppe wurden zusätzlich 10 DM als
Leistungsprämie in Aussicht gestellt.
Die Teilnehmer der 2. Gruppe arbeiteten am
längsten und erbrachten die größte Leistung. Die Motivation nahm zum Ende
des Experimentes sogar eher zu. Die Teilnehmer der 3. Gruppe, der Leistungsprämiengruppe,
zeigten insgesamt eine deutlich geringeres Engagement und erbrachten eine geringere Leistung. Viele brachen vorher
ab. Die Motivation bei den einzelnen Aufgaben sank im Laufe des Testes.
Die Gruppe 1, die keinerlei Belohnung erhielt, zeigte sich im Durchschnitt
geringfügig motivierter als die Gruppe 3, jedoch weniger motiviert als die
Gruppe 2.
In der
Gruppe mit der Leistungsprämie variierte die Motivation zwischen den Teilnehmern
auffallend stark, ein Hinweis, daß Leistungsprämien - in Abhängigkeit von
der persönlichen Erfolgserwartung - nicht alle Personen in gleichem Maße
ansprechen. Die Auslobung der Leistungsprämie in der Gruppe 3 hatte insgesamt
betrachtet keine motivationssteigernde, sondern eher eine motivationssenkende
Wirkung.
Die Ergebnisse
dieser Untersuchung stehen im Einklang mit den Ergebnissen ähnlicher sozialwissenschaflicher
Untersuchungen. So wurden in einem anderen Experiment Kinder dazu angeregt,
Bilder zu malen. Gruppenmitglieder der einen Gruppe erhielten anschließend.
attraktive Preise, die anderen malten ohne Aussicht auf Belohnung. Nach
zwei Wochen stellten die Forscher fest, daß Kinder, die Belohnungen erwartet
und erhalten hatten, sehr viel weniger von sich aus mit den angebotenen
Malutensilien spielten als nicht belohnte Kinder [12].
These
4:
Leistunsprämien sind besonders dann nur gering motivierend und gar riskant,
wenn bereits eine hohe intrinsische Motivation für die Tätigkeit vorliegt.
Sie können so interpretiert werden, daß das Erbringen besonderer Leistungen
aus sich heraus als wenig attraktiv gilt; zudem können sie die Aufmerksamkeit
von der eigentlichen Aufgabe und den hierbei erlebten intrinsischen Anreizen
ablenken.
4.
Leistungsprämien bei wenig attraktiven Tätigkeiten
Bis dahin
standen die Auswirkungen der Leistungsprämien auf eine vorhandene intrinsische
Leistungsmotivation im Vordergrund. Es macht einen Unterschied aus, ob ich
Personen für wenig attraktive oder für bereits in sich attraktive Tätigkeiten
belohne. „Je mehr in einem konkreten Fall die möglichen Anreizmomente, die
aus der Tätigkeit selbst herrühren, überwiegen, desto riskanter ist es,
zusätzliche Anreize anzubieten" so summiert Kuhl [15]
die Ergebnisse motivationspsychologischer Experimente. Bei wenig attraktiven
Tätigkeiten könne die Ablenkung der Aufmerksamkeit von der Tätigkeit hin
auf die Belohnung sogar von unangenehmen Aspekten der Tätigkeit ablenken
und dadurch einen motivationssteigemden Effekt haben.
Auch
Ackermann unterscheidet in seiner DBP-Studie zwischen
einer
motivkongruenten Leistungszulage, die dann vorliegt, wenn die Arbeitsleistung,
für die sie gewährt wird, bereits Freude macht und damit auch intrinsisch
motiviert (Arbeitsfreude-Situation) und
einer
kompensatorischen Leistungszulage, die
dann vorliegt; wenn die Tätigkeit an sich keine Freude macht und die
Leistungsprämie sozusagen als Ausgleich interpretiert werden kann (Arbeitsleid-Situation)
[16].
5.
Leistungsprämien und soziales Klima
These 5: Die Befriedigung der sozialen Bedürfnisse ist ein maßgeblicher Faktor für die Arbeitszufriedenheit und die Motivation des einzelnen. Individuelle Leistungsprämien können das soziale Klima und damit die Arbeitsmotivation beeinträchtigen.
daß erfolgreiche Unternehmen in der Herstellung einer „Corporate Identity" und des dazugehörigen „Wir-Gefühles" ein zentrales Managementziel sehen [18],
daß
Betriebe in einer Verbesserung des sozialen Klimas einen wichtigen Ansatz
zur Reduzierung der Fehlzeiten sehen [20]
Die Frage,
wie sich Leistungsprämien auf die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz auswirken
ist gemäß den vorliegenden Befragungsergebnissen der DBP-Studie eindeutig
zu beantworten: 70 % der Befragten geben an, daß sich die Einführung der
Leistungszulagen negativ auf die Kollegialität und das Betriebsklima ausgewirkt
haben; 48 % der Befragten sehen negative Auswirkungen auf das Konkurrenzverhalten.
Die Beziehungen zu dem Vorgesetzten haben sich durch diese Prämien demgegenüber
eher verbessert [21].
Individuelle Leistungszulagen widersprechen der vorherrschenden Tendenz
zur Einführung gruppenbezogener Organisationsformen. Nimmt man den „Teamgedanken"
ernst, müßten auch ganze Arbeits- oder Projektgruppen für ihre besondere
Leistung prämiert werden. Immerhin 41 % der DBP-Befragten befürworten eine
Zulage für besondere Arbeitsleistungen von Gruppen [22].
6.
Leistungsprämien und das kognitive Gleichgewicht
These
6: Leistungsprämien
können innere Dissonanzen ausräumen. Dieses muß nicht immer motivationssteigernd
sein.
Der Mensch
hat gemäß der Theorie der kognitiven Dissonanz das Bedürfnis, innere Widersprüche
aufzulösen. Möglichkeiten, innere Dissonanzen aufzulösen, können in einer
Verhaltensänderung oder auch in einer Einstellungsänderung liegen. Innere
Widersprüche erleidet der engagierte Mitarbeiter, der die gleiche Bezahlung
wie der gering motivierte Mitarbeiter erhält. Der Engagierte wird durch
die Leistungszulage und die damit verringerten Dissonanzen weniger Anlaß
haben, seine positive Arbeitshaltung zu ändern. Von inneren Widersprüchen
kann aber auch derjenige betroffen sein, der trotz geringer Leistungsbereitschaft
das gleiche Geld wie der motivierte Kollege erhält. Auch dieser Mitarbeiter
hat durch die Leistungsprämie wenig Anlaß, seine Arbeitshaltung zu ändern.
Durch eine neue Ursachenzuschreibung vermag er seine Kognitionen in einen
neuen Gleichklang zu bringen („Der fleißige Kollege strengt sich wegen der
Leistungsprämie so an, ich strebe diese ja gar nicht an"). Wenn ein
Mitarbeiter die Übernahme einer Sonderaufgabe mit den Worten ablehnt „Gehen
Sie damit lieber zu meinem Kollegen, der hat doch eine Prämie bekommen,
dann soll er auch gefälligst etwas mehr als wir machen", so deutet
dieses auf derartige kognitive Umdeutungsprozesse hin.
7.
Leistungsprämie und persönliche Erfolgserwartungen
These
7: Leistungsprämien
erzeugen bei den Empfängern eine Bestärkung des gezeigten Leistungsverhaltens;
andererseits können sie bei den Nicht-Begünstigten Enttäuschungen auslösen.
Ob Leistungsprämien die Motivation in einer Belegschaft insgesamt anheben,
wird davon abhängen, ob es gelingt, die aus den Enttäuschungen resultierenden
Motivationsminderungen einzugrenzen. Hierzu ist es erforderlich, daß die
Vergabekriterien transparent und von hoher Akzeptanz sind sowie sich möglichst
auf meßbare qualitative und quantitative Indikatoren stützen.
Ein einfaches
motivationspsychologisches Modell besagt, daß der Mensch dann zu einer Leistung
motiviert ist,
Leistungsprämien motivieren
demnach nicht alle Personen in gleicher Weise. Dieses liegt nicht nur an
der individuellen Ausprägung einzelner Bedürfnisse. Wesentlich sind zudem
die persönlichen Erwartungen und Erfahrungen, daß sich bei besonderen Bemühungen
der Erfolg, d. h. hier die Leistungsprämie, auch einstellen wird.
Eine zentrale Frage ist, wie Personen auf
den Erhalt, aber auch auf den Nicht-Erhalt der Leistungsprämien reagieren.
Die Zahlen hier sind - bezüglich des motivationssteigernden Anspruches von
Leistungszulagen - eher ernüchternd. Bei der DBP-Befragung gaben ca. 25
% der Befragten an, daß sie eine Leistungsprämie in den vergangenen Jahren bereits erhalten hatten.
Diese waren überwiegend gewillt, ihre positive Leistungsbereitschaft beizubehalten
(62 %) oder gar zu steigern (36 %). Auf Personen, die nicht bei der Leistungszulage
berücksichtigt wurden, wirkte sich die Leistungsprämie eher demotivierend
aus. Knapp ein Viertel dieses Personenkreises wollte den Leistungseinsatz
eher zurücknehmen. Besonders diejenigen Nicht-Empfänger, die persönlich fest mit
einer Leistungszulage gerechnet hatten, beabsichtigten, ihr Engagement zurückzunehmen.
Insgesamt wollten als Reaktion auf die Leistungsprämien 15 % aller Befragten
ihre Anstrengungsbereitschaft erhöhen, aber 18 % ihr Engagement einschränken
[24].
Leistungsprämien stellen für einzelne Kollegen Leistungsanreize dar; ihre
Einführung muß aber demnach nicht bedeuten, daß die Motivation innerhalb
einer.Belegschaft insgesamt gesteigert wird.
Wenn
Leistungsprämien nach Kriterien vergeben werden, die für den einzelnen nicht
nachvollziehbar oder beeinflußbar sind, also z. B. nach dem Zufallsprinzip,
dem Gießkannenprinzip („jeder kommt mal dran") oder dem Dienstalter,
so kann hiervon kein motivierender Einfluß ausgehen. Sollen die Leistungsprämien
ihren motivierenden Einfluß entfalten, so sind Leistungskriterien zu entwickeln,
die
für den einzelnen nachvollziehbar sind,
die
der persönlichen Kontrolle unterliegen und es demnach in der Kraft jedes
einzelnen liegt, ob er dieses Ziel erreicht,
die den übergeordneten Zielen der Einrichtung entsprechen,
die möglichst quantifizierbar sind,
die
Aussagen sowohl über die Qualität und Quantität
der Leistung machen.
In vielen
Bereichen des öffentlichen Dienstes existieren quantitative Leistungsindikatoren,
wobei diese i. d. R. weniger zur individuellen Leistungsbeurteilung, sondern
mehr als ein Instrument der Personalbedarfs-berechnung genutzt werden (Beispiel:
Schülerzahl pro Klasse, Gespräche pro Berater, Fälle pro Sachbearbeiter).
Erst in den Kinderschuhen steckt in vielen Bereichen die Entwicklung qualitativer
Leistungsindikatoren. Daher kann es nicht überraschen, wenn Verwaltungen
sich mitunter bei der Vergabe der Leistungsprämien auf quantitative Indikatoren
beschränken, so z. B. wenn eine Stadtverwaltung denjenigen „Politessen"
eine Prämie verspricht, die im Jahr geringe Fehlzeiten aufweisen, oder denjenigen
Sachbearbeitern, die die Arbeit eines Kollegen über einen bestimmten Zeitraum
miterledigen.
Auch
die Bundesregierung sieht in ihrem Perspektivbericht das Hauptproblem bezüglich
der Leistungszulagen in der Feststellung der besonderen Leistung. Konkrete
Angaben, nach welchen Kriterien die Leistungsprämien und -zulagen an „herausragende
Mitarbeiter" vergeben werden sollen, werden auch in den „Eckpunkten
zur Reform des öffentlichen Dienstrechts" nicht gemacht. Wenn die Einführung
von Leistungsprämien dazu führt, daß die Qualität der Arbeit und die Möglichkeit
ihrer Erfassung stärker in den öffentlichen Einrichtungen diskutiert wird,
so kann hieraus bereits ein Beitrag zur Leistungssteigerung von Organisationen
erwachsen [25]. Eine solche
Diskussion könnte bei manchen Beschäftigten Ängste bezüglich einer verstärkten
Fremdkontrolle ihrer Leistung auslösen. Andererseits legen Studien zur Erforschung
des Leistungsmotivs sowie der Arbeitszufriedenheit [26]
den Schluß nahe, daß der Mensch ein natürliches Bedürfnis besitzt, Rückmeldungen
über die Qualität der eigenen Leistung zu erhalten. Vielleicht liegt hier
eine Erklärung für ein Befragungsergebnis der DBP-Studie, welches bei aller
hier herausgearbeiteten Skepsis bezüglich der motivationssteigernden Wirkung
von Prämien überrascht: 63% der Befragten geben an, daß der "Spaß an
der Arbeit" durch die Einführung der Leistungszulagen gesteigert worden
ist.
Die wissenschaftliche
Begleitstudie bei der Deutschen Bundespost kommt - so auch im Perspektivbericht
zitiert - zu dem Ergebnis, daß die Gewährung von Leistungszulagen „grundsätzlich
geeignet ist, zur besseren Erreichung der unternehmerischen Ziele der DBP
beizutragen". Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, daß das
Wort grundsätzlich hier in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden darf.
Ob die Prämien einen Anreizcharakter für höhere Leistungen darstellen oder
ob die hier herausgearbeiteten Risiken überwiegen, wird insbesondere von
der Art und Weise abhängen, wie die Leistungsprämien eingeführt werden und
hier insbesondere von der Transparenz und der Akzeptanz - der Vergabekriterien.
Unter der betriebswirtschaftlichen Perspektive wird man sich zudem fragen
müssen, ob der Mehraufwand für die Leistungsprämien durch ein erhöhtes Arbeitsengagement
der Mitarbeiter aufgefangen wird. Als Mehraufwand wird nicht nur das Entgelt
für die Leistungsprämie zu verbuchen sein. Leistungsprämien machen es erforderlich,
daß Vorgesetzte vermehrt Leistungsbeurteilungen erstellen. Die Durchsetzung
einheitlicher Vergabekriterien verlangt zudem einen kostenintensiven Fortbildungsbedarf
sowie zeitintensive Abstimmungsprozesse innerhalb einer Behörde.
[1] Ackermann, K.-F: Leistungszulagen bei der
Deutschen Bundespost, Abschlußbericht. Studie im Auftrag des Bundesministers für Post und Telekommunikation. Februar 1993.
[2] Vgl. z. B. das Schwerpunktthema der Zeitschrift PERSONALWIRTSCHAFT 9/1994.
[3] Hierzu ausführlicher: Dulisch, F.: Lernen
als Form menschlichen Handelns. z. Aufl. 1994, S.
78-99.
[4] Eine
Übersicht zu den empirischen Forschungsergebnissen bezüglich der leistungsmotivierenden
Funktion
von Partizipation am Arbeitsplatz liefert: Nerdinger, F. W.: Motivation
und Handeln in Organisationen. 1995, S. 68-72.
[5] Festinger,
L.: Theorie der kognitiven Dissonanz. 1978.
[6] Zusammenfassend:Nerdinger, F. W., aa0., 1995, S. 158 ff.
[7] Vgl.
Maslow, A. L.: Motivation und Persönlichkeit. 1991.
[8]
Vgl.
hierzu z. B. Heckhausen, H.: Motivation und Handeln. 1980, S. 607 ff.
[9] Die moderne
Psychologie spricht hier in Bezugnahme auf Csikszentmihalyi von dem „Flow-Erlebnis".
[10] Klotz,
E. und Mauch, S.: Personalmanagment in Baden-Württemberg,
Teil 2, in: Verwaltung,
[11]
Sprenger, R. K.: Mythos Motivation, 1992, S. 67.
[12] Vgl. Kuhl, J.: Die Bedeutung materieller
Leistungsanreize für die Arbeitsmotivation, in:
[13] Vgl. Kuhl, J., aa0., 1988, S. 76 ff.
[14] Leistungsprämien
für Beamte haben einen weiteren symbolischen Gehalt: Gemäß den hergebrachten
Grundsätzen wird von dem Beamten die volle Hingabe zu dem Beruf gefordert.
Wenn nun motivierte Beamte für ihre Leistungen besonders belohnt werden,
so enttarnt sich diese
[15] Vgl. Kuhl, J., aa0., 1988, S. 76.
[16] Vgl. Ackermann, K.-F., aa0., 1993, S. 49.
[17]
Vgl. Ackermann, K.-F, aa0., 1993, S. 50 f.
[18]
Vgl.
Raffee, H./Fritz, lN.: Die Führungskonzeption erfogreicher und weniger
erfolgreicher
[19] Vgl. z. B. Walter, H.: Mobbing: Kleinkrieg am Arbeitsplatz.1993, S.12 ff.
[20] Vgl. z. B.: Arbeitsberichte 17 vom Ausschuß
Betriebliche Personalpolitik der Deutschen
[21]
Vgl.
Ackermann, K.-F. u. a., aa0., 1993, S. 55.
[22]
Vgl.
Ackermann, K.-F. u. a., aa0., 1993, S. 66.
[23]
Vgl.
hierzu z. B. Heckhausen, H./Rheinberg, F: Lemmotivation im Unterricht,
erneut betrachtet. In: Unterrichtswissenschaft 1980, S. 7 ff.
[24] Vgl. Ackermann, K.-F., aa0., S. 37 und S. 45 und eigene Berechnungen.
[25] Im Bereich der Hochschulen werden beispielsweise
Preise für herausragende Lehrleistungen
[26] Vgl. Nerdinger, F. W., aa0., 1995, S. 57.